Das war gestern unser Wanderweg. In der warmen Herbstsonne und dem wunderbaren Licht des Südens haben wir eine Insel umrundet – auf weichem Boden, im schattigen Wald, immer mit Blick auf das Meer mit seinem klaren Wasser, in dem wir uns abkühlen konnten. Das Wasser hatte Idealtemperatur, nicht zu warm, so dass es gerade noch erfrischend war. Es gab keine anstrengenden Steigungen, aber doch Interessantes zu erkunden. Und wir hatten ein schönes Ziel: Wir wollten die Insel umrundet haben bevor uns die letzte Fähre zurück ans Festland bringen würde.
Lebenswege sind nicht so so perfekte Spaziergänge wie dieser. Es gibt lange Anstiege und Durststrecken. Manchmal erklimmen wir Gipfel, die uns mit weiten Ausblicken belohnen. Oder wir erkennen erst am Ende eines Weges, dass er eine Sackgasse war. Wir müssen umkehren und neue Wege finden, Umwege gehen, dunkle Täler durchqueren und wir wissen nicht, wo wir ankommen werden. Natürlich gibt es sie auch, die sonnigen Abschnitte und Genusswege, die schönen Rastplätze. Und auch tiefe Schluchten gehören dazu, aus denen wir manchmal nur mit Hilfe herauskommen können.
All das gehört zum Leben, all diese Abschnitte wollen durchwandert, integriert und akzeptiert werden. Das ist nicht immer leicht – und es ist möglich.
Bea ist Gelöst! Coach. Und viel mehr. Dank Bea sind wunderbares Lehrmaterial zur Timelinearbeit entstanden. Ich durfte sie begleiten und professionelle Kamerafrauen haben unsere Arbeit aufgenommen. Ihr Lebensweg umfasst alle schweren und alle schönen Seiten, die ein Weg nur aufweisen kann. Bea berichtet manchmal ernst, manchmal mit Freude darüber. Immer freundlich und berührend. Sie ist im Frieden mit ihrem Weg. Und sie möchte weitergeben, was ihr wichtig ist. Als Beraterin, Gelöst! Coach, Traumatherapeutin und Leiterin einer Notfallseelsorge. Bea und mich verbindet ein gemeinsames Anliegen: Wir möchten dazu beitragen, dass traumatisch wirkende Erfahrungen kein Tabu mehr sind in unserer Gesellschaft. Dass wir einen Umgang mit diesem Thema finden, der den Betroffenen ermöglicht, ihre Erfahrungen zu integrieren und Frieden damit zu finden. Damit sie mutig und frei ihren Weg gehen können. Wir alle können dazu beitragen.
Dafür haben Bea und ich ein Seminarkonzept entwickelt.
Die Grundlage für diesen Blogartikel bildet ein Text von Bea Vogt:
Was ist Trauma?
Eine der anerkannten Definitionen für Trauma liefern Fischer und Riedesser in ihrem Lehrbuch der Psychotraumatologie (München, 1998, S. 79.):
„[…] ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.“
Vielfach sind die Folgen weit diffuser als in Trauma-Handbüchern beschrieben.
Denn nicht jeder Mensch, der ein Trauma erlitten hat, leidet unter den üblichen, klassifizierten Trauma-Symptomen.
Diese „anerkannten“ Symptome sind:
- Flashbacks: Spontan auftretendes Wiedererinnern des/der traumatischen Ereignisse(s), einhergehend mit einem Gefühl, als würde es in diesem Moment geschehen
- Vermeidungsverhalten: Orte und Situationen, die an das Trauma erinnern, werden gemieden
- Erinnerungslücken: Einzelne Aspekte oder das gesamte traumatische Ereignis sind nicht erinnerbar • Entfremdungsgefühle: Betroffene haben das Gefühl, “nicht richtig da” zu sein
- Hyperarousal: Ein erhöhtes Erregungsniveau, das sich in Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit und/oder dem Gefühl, “ständig auf der Hut” zu sein, zeigt
Im Allgemeinen wird bei jeder klassischen Definition betont, dass eine Gefahr für Leib und Leben bestanden haben muss.
Doch auch hier sagt die Erfahrung aus der Praxis, dass Symptome auch dann entstehen wenn dies nicht so empfunden wurde.
So können Operationen und Narkosen traumatisch sein, ebenso wie Stürze, Trennungen, auch selbst gewollte Schwangerschaftsabbrüche, ärztliche Untersuchungen, zahnärztliche Behandlungen, Mobbing, Demütigungen, sogar leichte Auffahrunfälle, die Bezeugung von Gewalt oder Unfällen und viele andere Dinge, die uns im Leben begegnen. Das Problem besteht darin, dass man nicht sagen kann, was für eine bestimmte Person traumatisch ist, weil Menschen sehr unterschiedliche Schwellen haben, ab denen Stress zum Trauma wird.
Peter Levine sagt, Trauma entsteht im Nervensystem, und nicht im Ereignis. Damit bezieht er sich auf die sehr unterschiedlichen Reaktionen von Menschen auf stressige Ereignisse.
Man könnte also sagen:
Ein Trauma entsteht dann, wenn ein Ereignis zu plötzlich, zu schnell und zu massiv für einen Menschen geschieht, so dass seine Bewältigungsmechanismen weit überfordert sind.
Momentan ist der Begriff Trauma in unserer Gesellschaft meist so verstanden, dass einer Person schreckliches zugestoßen sein muss, also mindestens eine Vergewaltigung oder schwere Gewalt oder Katastrophen. Dies ist jedoch definitiv falsch! In unseren Praxen sitzen immer wieder Menschen, die darüber verzweifelt sind, nicht zu wissen, warum ihr Leben so ist, wie es ist und die ihr Leiden nie damit in Verbindung bringen würden, dass sie als Baby 4 Wochen alleine im Krankenhaus bleiben mussten. Oder, dass sie eine schwere OP hatten und ein Jahr später gemerkt haben, dass sie Symptome entwickeln für die sie keine logische Ursache gibt.
Trauma ist allgegenwärtig
Zahlen Stand 2018:
Vor allem habe ich hier reine „Schocktrauma-Ereignisse“ gesammelt und darauf verzichtet auch noch Zahlen zu sammeln, wie viele Kinder in Deutschland geschlagen werden…
Alle Zahlen beziehen sich nur auf Deutschland…
Jährlich werden über 11 Millionen Operationen mit Narkose durchgeführt,
es gibt 280 000 Herzinfarkte,
500 000 Schlaganfälle,
über 430 000 Krebsneuerkrankungen,
fast 10 000 Suizide,
280 Verkehrstote, über 26000 Verkehrsverletzte,
über 200 000 Opfer von Gewalt (und das umfasst nur die zur Anzeige gebrachten),
45 000 Frauen, die vor ihrem Partner flüchten,
über 50000 erfasste Kindesmisshandlungen
und 17000 erfasste Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder.
Wenn man zusätzlich bedenkt, dass eine Traumatisierung immer Kreise zieht, und nicht nur eine Person direkt betroffen ist, sondern auch Täter, Helfer, Zeugen, Familie, Freunde und Partner oder Partnerinnen, möglicherweise sogar noch Bekannte oder Kollegen ebenfalls darunter leiden, so kann man von einer erheblichen Anzahl betroffener Menschen ausgehen.
Trauma ist eine Reaktion, keine Erinnerung – und Reaktionen sind veränderbar
Die Folgen eines Traumas bestimmen häufig unser Leben, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Viele Menschen sind immer noch der Meinung, wenn sie etwas nicht wissen oder dem einfach keine Aufmerksamkeit schenken, wird es auch keinen Einfluss auf sie haben. Leider ist das Gegenteil der Fall.
Die Gehirnforschung kann heute besser als je zuvor sagen, wie man sich verändern kann. Außerdem ist heute klar, dass traumatische Ereignisse schlicht und einfach Teil des menschlichen Lebens sind. Die Welt ist nicht immer gut und man kann sich so viel wünschen, wie man möchte: Manchmal passieren Dinge, die uns überfordern und leiden lassen.
Ein Trauma fordert uns heraus, den Blick auf unser Leben und das Leben an und für sich u überdenken und vielleicht zu verändern. Wir müssen uns neu ordnen, vielleicht sogar einen neuen Sinn finden. Vielleicht stellen wir fest, dass wir unser Leben nicht ausreichend gelebt haben.
In vielen spirituellen Kulturen ist ein Trauma ein Tor zu einer anderen Welt. Wir kommen subjektiv empfunden bei einer Überwältigung dem Tod ganz nah. Das hinterlässt tiefe Spuren in uns, sowohl hinderliche als auch positive. Viele Menschen werden sensibler für die Welt, in der wir leben, und für ihre Mitmenschen. Sie nehmen die Natur bewusster wahr und fühlen sich verbundener mit ihr.
Wir fallen bei einem traumatischen Ereignis aus der Selbstverständlichkeit unseres Lebens, auch aus unserer Bequemlichkeit und der Sicherheit. Es verändert uns – es kommt darauf an, was man daraus macht. Aber: Manche Dinge bekommt man alleine nicht hin. Wirklich nicht, man braucht Hilfe. Als Menschen sind wir soziale Wesen, wir leben nicht unabhängig voneinander oder der Welt.
Für manche Dinge braucht es Mut. Einem Trauma und seinen Folgen zu begegnen, braucht ihn gewiss! Es gibt jedoch Möglichkeiten, die Symptome einer Traumatisierung zu lindern oder sogar zu heilen.
Möchtest Du Bea und mich im Gespräch zu diesem Thema erleben?
Lebenswert
Unser Angebot für dich:
Leben mit traumatisch wirkenden Erfahrungen
Ein Workshop mit Bea Vogt und Carola Baxmann
vom 4. bis 7. April 2024 in Unna
für Betroffene, Angehörige und Helfer*innen
Die Teilnehmenden erfahren, dass es möglich ist, traumatisch wirkenden Ereingissen zu begegnen nd sie zu integrieren, auch ohne notwendigerweise retraumatisierend zu wirken.
- Auseinandersetzung mit dem Begriff Trauma
- Lösungsfokussiertes Coaching nach dem Gelöst! Konzept
- Achtsamkeitsübungen, Teilearbeit, Glaubenssatzarbeit…